Berichte aus der Werkstatt: FO HGe 4/4′ Teil 5

Endlich ist es soweit, meine Lokomotive ist fertig und darf auf unsere Anlage in Einsiedeln zur Abnahmefahrt. Rückblickend hat sich die Mühe und die zum Teil auch langweilige Arbeit (Serienteile) doch sehr gelohnt, wenn ich die Komplimente von meinen Kollegen höre. Nun bin ich im letzten Kapitel vom Bau der eigenwilligen (für mich sehr schönen) Lok, angelangt und darf Euch sagen, dass dieses Modell für mich das bisher beste Stück meiner Modellbau-Laufbahn darstellt.

Ich habe bis jetzt verschwiegen, dass in der Lok nachträglich ein anderes LFP- Akkupacket eingebaut wurde, da ein Kollege dringend mein 48V Energiebündel brauchte, weil der ferne Osten mal wieder Lieferschwierigkeiten machte und ich so nebenbei auch noch einen Wagen vom Kollegen Rolf, mit einem Antrieb ausgerüstet habe. Anhand dessen Bau habe ich mich entscheiden ein viel kleineres Packet einzubauen, nämlich 24V und dafür mit doppelt so grosser Leistung (230Ah).

Dadurch konnte ich viel Platz sparen und die Druckluft-Aufbereitung komplett in den Maschinenraum verlegen was wiederum Platz für eine Führerstands Einrichtung im Gehäuse Fahrrichtung vorwärts zu lies. Rückseitig ist alles gleich und mit Raspberry Pi, BMS-Sender und Sicherungsautomaten etc. versehen.

Fast ohne Innereien war die äusserlich fertige Lok schon mal ausserhalb der Werkstätte, um an unserer Ausstellung/Börse in Einsiedeln teilzunehmen. Diese findet jedes Jahr im März statt und da werden auch Gartenbahn und andere Modelle gezeigt um den Betrieb etwas lockerer zu gestalten.

Links die 80Ah LFP-4 für die Nebenaggregate, in der Mitte die neue 230Ah LFP-4 und daneben die 4QD 160 Pro sowie der rückseitige Führerstand mit der leuchtenden Batterie Zustandsanzeige. Die Inneneinrichtung, etwas karg dargestellt, weil ich kein Liebhaber von «Bäbystubä» was Puppenstube auf Schwyzertütsch heisst, bin! 

Ich bin Vollblut Mechaniker und nur angelernter Elektriker, darum habe ich mich natürlich auch mal wieder an meine Kollegen und meinen Sohn wenden müssen um keine Fehler zu machen. Denn meine Lok ist kein Tesla und soll weder brennen noch von selbst oder Geisterhand losfahren. Dabei muss ich wohl sagen, dass es wunderschön ist solche Freunde oder eben auch Familienmitglieder die einem helfen können und wollen, zu haben.

Nun zur Vorbereitung der Lok um endlich eine «Pfahlprobe» (so sagt man im Schiffbau, wenn die Motoren das erste Mal drehen, das Schiff aber fest verankert ist), zu machen. Das heisst nicht, dass die Lok ins Wasser muss, sondern die Räder in der Luft hängen, weil die Drehgestelle aufgebockt sind und die Schienen eben nicht berührt werden.

Das verlegen und anschliessen der Kabel, Drähte und Litzen bis zu deren Sicherung war ja noch einfach aber der Respekt für die 230Ah war dann doch sehr gross und so kam dann mein guter Freund Stefan zum Lok. (Zug wird es erst mit Wagen, denke ich ;-).

Mit der 80Ah wurde erst mal der Kompressor gestartet und dann die Druckleitungen auf eventuelle Verluste geprüft. Okay, das klappt, kein Verlust bis jetzt! Die Lichter schalten auch korrekt nach dem Schweizer Lichttheater und Dank meinem Sohn Andy kann auch die Helligkeit mittels Poti richtig eingestellt werden. So, und jetzt wollen wir doch mal probieren, ob denn die Motoren zum Leben erweckt werden können. Um die Räder von den Schienen zu befreien braucht es einiges an Kraft da die Lok doch recht schwer ist. Dann folgt das Einschalten der Hauptschalter, der Raspberry zeigt mit den LED die Lichtstellung an und in welcher Richtung die Motoren drehen sollten, Fahrtrichtung-Schalter auf vorwärts, Lichter sind korrekt und langsam das Poti nach rechts drehen. Unter der Lok hört man ein leises Summen und die Räder drehen sich langsam und sogar in die richtige Richtung! Wir fahren mit den Drehzahlen rauf und runter bis wir überzeugt sind, dass alles gut ist.

Dass das überhaupt nicht reicht, ist wohl jedem klar, denn jetzt soll das Ganze mal unter Last drehen und so wird ein Bremsventil angeschlossen. Dies wird später im Begleitwagen untergebracht sein und jetzt provisorisch an einem Sitzwagen montiert.

Die Motoren drehen mit voller Drehzahl was am Rad ca. 330U/min. entspricht der Strom zeigt ca.12A an und so beginnen wir zu bremsen. Das Geräusch wir etwas härter und noch was härter, die Amps steigen auf über 30A und die Räder drehen, gebremst mit 6 bar wie, wenn nichts wäre (6 bar sind rund 30 Kg Druck). Nach ca. 30 Sekunden werden die Bremsen gelöst und die Motoren summen wieder vor sich her. Dann wird angehalten. Motoren sind kalt, Räder sind ziemlich warm, die Bremsklötze aus Resofil (Hartgewebe) stinken etwas vor sich hin aber sonst ist alles Okay.

Immer wieder wird, im Moment noch auf dem Smart Phone, den Zustand der LFP-4 Zellen geprüft um auch sicher zu sein, dass alles stimmt. Dann werden jetzt die Parameter vom BMS dem Soll-Zustand angepasst und optimiert sowie über Nacht geladen um am nächsten Tag mal einen Dauerlauf von 3-4 Stunden zu absolvieren.

Gesagt, getan, alles bestens und sogar das Wetter meint, erst am späteren Nachmittag die Gegend zu bewässern. Also Lok und Wagen ins Auto laden und ab auf die Anlage denn jetzt will ich es wissen.

Transportsicherung

Im Voraus habe ich mir eine Vorrichtung aus Aluminium gebaut um im Auto ohne Gurten die Fahrzeuge transportieren zu können. Die soll sich jetzt bewähren.

In Fahrtrichtung Links können 2 gestapelte Wagen befestigt werden. In der Mitte kommt die Lok hin und Rechts dann der Hilfswagen mit allen Werkzeugen und Abdeckblachen für die Fahrzeuge.

Alle Fahrzeuge werden an den Zentralpuffer beidseitig mittels Spezialvorrichtungen auf den Alu-Profilen befestigt und gesichert. Das obere Teil, verschraubt zum Winkel, hält die Kupplung spielfrei auf Zug, Druck und natürlich auch vertikal.

Dieses Teil ist für die Wagen wo der Zentralpuffer mit dem Bügel gesichert wird.

Der gesamte Rahmen wir im Combi mit den Ladebefestigungen links und rechts spielfrei fixiert. Nach kleinen Anpassungen hat sich das System bewährt. Die Fahrzeuge sind fest wie im Schraubstock und das System kann auch von 5 Zoll Normalspur Fahrzeugen genutzt werden.

Der grosse Tag

Die Inbetriebnahme (IBN) fand nun folgendermassen statt.

-Entladen vom Transportfahrzeug
-Test – Fahren, Bremsen, Anhalten am Berg, Parkieren
-Parameter der 4QD anpassen, wenn notwendig
-Energiemessung mittels BMS

Das Testfahrzeug mit 2 Vierachs- Personenwagen und dem Gk Zweiachser.

Einschalten des Hauptschalters:

  • Fährt Raspberry Pi hoch
  • Kompressor setzt Luftdruck auf 6bar

Fernsteuerung einschalten:

  • Pi und FS melden gekoppelt
  • Fahrschalter auf vorwärts stellen, Lampen werden eingeschaltet.
  • Mit dem Fahrregler langsam hochdrehen und Lok fährt selbständig aus dem Combi auf die Hebebühne.
  • Wagen ausladen und mit Lok kuppeln.

Meine Zentralkupplung hat links und rechts vom Puffer die normale Schraubkupplung wie sie bei vielen Schmalspurbahnen gebraucht wird. Zudem verwende ich eine Deichsel welcher die Wagen mittels 6mm Stift fest verbindet. Dies ist eine Sicherheit, die bei uns im Klub wegen den grossen Steigungen verlangt wird, sollte der Zug über den Berg fahren.

Mit der Deichsel wird sehr eng gekuppelt so dass ein Spalt von ca. 1mm besteht.

Die beiden Festo Kupplungen sind für die Druckluft wobei der Rechte den Bedienwagen und somit das Bremsventil mit dem Windkessel in der Lok und der Linke die Bremszylinder in den Drehgestellen, verbindet.

Test Fahren:

Der Zug setzt sich langsam aus dem Stillstand vorwärts in Bewegung.

Stetes Beschleunigen, auf die Motoren und Wagengeräusche achten. (Fahrgeschwindigkeit schätzen, wenn notwendig korrigieren mit 4QD)

Langsames Bremsen mit der Motorbremse. (Bremsweg schätzen, wenn notwendig etwas korrigieren mit 4QD)

Schnelles Bremsen mit der Motorbremse.

Bremsen mit Fahrschalter auf Stellung neutral.

Anfahren und Anhalten am Berg. Hält die Motorbremse oder muss die Druckluft hinzu genommen werden um den sicheren Stillstand zu gewährleisten?

Wenn dies alles getan ist wird alles nochmals als Voll-Last Test durchgeführt um dann die notwendigen Einstellungen an der 4QD endgültig einstellen.

Die Originallok hat normalerweise 5-6 Wagen am Hacken und so werde ich auch fahren. Das heisst; an meinem Zug werden 8 Personen auf 4 Sitzwagen verteilt mitfahren. Der, noch zu bauende Steuer oder Bedienwagen wird auch maximum 2 Personen aufnehmen und am Schluss mit meinem GK-Materialwagen macht alles zusammen Max. 10 Personen und 6 Wagen.

Natürlich will ich und vor allem meine Kollegen wissen wo die Lastgrenze sich einstellt. Dies wird sicher irgendwann mal bei einem Wettbewerb auf der Anlage geprüft werden.

Resultat mit Bildern:

Mein Zug mit der neuen Lok bei der Einweihung am 19.05.2023 auf Blatten beim MECE

Und mit Teillast auf der Durchfahrt vom Bahnhof Blatten. Bei uns im MECE wird bei einer Loktaufe diese mit einem Blumenstrauss schön geschmückt!

Fahrgefühl:

Ruhig, sanft, stark, gute Beschleunigung auch mit 9 Personen am Berg!

Das Summen der Motoren hört sich an wie das Original, die max. Geschwindigkeit ist etwas hoch aber man muss ja nicht immer am Anschlag fahren. Nach GPS 2.2m/s! Also ca. 62 anstatt 55km/h umgerechnet.

Das Anfahren und die Beschleunigung am Berg (3,5% etwa) ist sehr gut und lässt nichts zu wünschen übrig. (0-Voll rund 6-8 Meter Strecke / bei max. 27.6Amps.)

Das Bremsen mit den Motoren ist perfekt und beim Bremsen mittels Fahrrichtungsschalter in Stellung 0 (Mitte) wirft es einem fast vom Bock! Also brauche ich keinen Schnellstoppschalter!

Die Stillstands Bremse mit Voll-Last am Berg funktioniert bis auf eine Geschwindigkeit von ca. einem Meter pro Minute tadellos aber nicht genug um den Zug anzuhalten oder zu parkieren. Dazu aber ist die Luftbremse ja da und somit ist auch dieser Test erfolgreich.

Noch was zur Energiemessung:

Höchste Leistung beim Anfahren am Berg                                            27.6   A

Höchste Bremsleistung am Berg (Rekuperation)                                   8.7   A

Zellenpegel nach 4h Fahrzeit mit ca. 66% mittlere Last                   225.6   Ah

Verbrauch laut BMS                                                                                     4.4   Ah

Zum Schluss möchte ich mich bei allen Leuten die mir geholfen haben meine HGe 33 zu bauen, recht herzlich bedanken. Ich war vielleicht manchmal etwas stürmisch oder vielleicht in Gedanken schon beim Fahren, jedenfalls war die Bauzeit für mich wieder einmal richtig toll. Meine Freundin hat sich für IHRE Lok auch bereits bedankt und ich weiss jetzt, dass ich sie mit Gaby teilen muss!

Als nächstes wird der Gepäckwagen J2403 der Visp Zermatt Bahn als Bedienwagen zur Lok gebaut. Die meisten Zeichnungen habe ich schon gemacht und ich hoffe im 2024 den Frühling damit zu feiern.

Mein Kollege Rolf will eine Re 10/10 im Massstab 1:7,8 und dafür soll ich auch mal an die Arbeit wobei ich nur die Konstruktion und Montage machen werde.

So jetzt ist es Zeit um abzuschliessen. Ich hoffe es war eingebungsvoll und etwas Interessant, vielleicht hat man(n) ja auch plötzlich einen Nutzen davon.

Gruss

Walter Bernet


Zur Serie Werkstattberichte:

In einer losen Serie berichten wir über die Arbeiten in den Werkstätten/Hobby-Räumen unserer Clubmitglieder.

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